1957 ein Sowjetischer Spähtrupp im Knüllgebirge

Bericht über einen Zwischenfall am 13. Juni 1957

Erste „Feindberührung“ der Bundeswehr – Deutscher Posten sagt „Njet“ –

Dürfen das die Russen?
Der diensttuende Posten am Bundeswehr-Übungsgelände nahe dem Truppenlager Schwarzenborn, der im Gegensatz zu seinen Kollegen an den meisten westdeutschen Kasernentoren nicht der Wach- und Schieß-gesellschaft angehört, sondern ein richtiger Soldat ist, hatte in diesen Tagen im Juni 1957 die erste „Feindberührung.

Auf einem Feldweg näherten sich drei oder vier russische Offiziere in einem Auto und versuchten, an dem Posten vorbei auf den Platz zu fahren, auf dem die Bundeswehr zuweilen Scharfschießen übt. Der Truppenübungsplatz Schwarzenborn liegt in dem waldreichen Knüllgebirge zwischen dem alten Kreisstädtchen Ziegenhain und Bad Hersfeld, nicht weit von der Autobahn Kassel–Frankfurt und in der Luftlinie nur 35 km vom Eisernen Vorhang entfernt, der westlich von Eisenach das Werratal mehrfach schneidet. Aber nicht von dorther kamen die Offiziere der Roten Armee, obwohl das angesichts des unübersichtlichen Verlaufs der Zonen-grenze gar nicht so abwegig gewesen wäre. Sie kamen vielmehr aus Frankfurt von der Sowjetischen Militärmission und wollten, wie sie dem Wachtposten erklärten, nach Gießen fahren.

Als der Bundeswehrsoldat ihnen entgegnete, dass Gießen erstens in ganz anderer Richtung liege und dass sie zweitens doch wohl nicht über Feldwege dorthin gelangen wollten, lachten die Russen und schickten sich an, an dem Posten vorbeizufahren. Erst auf das energische „Njet“ des deutschen Soldaten machten sie kehrt und fuhren davon. Der Posten hatte gerade noch Zeit, sich die Autonummer zu merken. Zu diesem Vorfall haben in der vergangenen Woche Stellen der Bundeswehr verschiedene Erklärungen abgegeben. Der Kommandant des Truppenübungsplatzes, Major von Tempelhoff, sagte, die Soldaten würden über ihr Verhalten in solchen Fällen immer wieder belehrt. Die Wache habe sich richtig verhalten. Bei der Platzkommandantur habe kein Russe vorgesprochen.
Das Wehrbereichskommando IV in Mainz teilte der Presse mit, auch dort habe die Sowjetische Militärmission nicht um eine Erlaubnis zum Besuch von Übungsplätzen der Bundeswehr nachgesucht.

Die Angehörigen der Militärmission brauchten allerdings auf Grund der Potsdamer Beschlüsse von 1945 auch keine solche Genehmigung. Im Potsdamer Abkommen sei die Verpflichtung der Siegermächte niedergelegt, alle etwaigen militärischen Anlagen auf deutschem Boden zu kontrollieren. Die Sowjetoffiziere aus Frankfurt, deren Aufgabe ja – genau besehen – in nichts anderem bestehe, als diese Kontrolle auszuüben, seien auch schon mehrfach in der Nähe von amerikanischen und deutschen militärischen Anlagen aufgetaucht. Sie hätten sich jedoch bisher immer den Weisungen der Posten gefügt und nirgendwo versucht, ihr Vorhaben mit Nachdruck durchzusetzen,
Diese Darstellung des Wehrbereichskommandos legt verschiedene Fragen nahe: Warum fahren die Russen auf Feldwegen in der Nähe von Truppen-übungsplätzen spazieren, wo sie doch nicht viel Interessantes zu Gesicht bekommen? Warum melden sie sich nicht bei den Kommandeuren an und dringen darauf, eingelassen zu werden, wenn ihnen das Potsdamer Abkommen ein Recht darauf gibt? Wie würden die Dienststellen der Bundeswehr reagieren, wenn die Sowjetoffiziere um die Erlaubnis zur Besichtigung von militärischen Anlagen aller Art nachsuchen würden, obwohl sie doch diese Erlaubnis gar nicht brauchen?
Alle diese Fragen vermag die Bundeswehr nicht zu beantworten.

Quelle: Zeit online
http://www.zeit.de/1957/24/sowjet-spaehtrupp-im-knuellgebirge


Abbildung der Kennzeichen der sowjetischen Militärmission: